I. Allgemein

Bei dem sog. Jugendstrafrecht handelt es sich um ein Sonderstrafrecht und Sonderstrafprozessrecht, für junge Beschuldigte, die sich zur Tatzeit im Übergangsstadium zwischen Kindheit und Erwachsenenalter befinden. Der rechtspolitische Hintergrund eines gesonderten Jugendstrafrechts liegt darin begründet, dass es sich aufgrund kriminologischer Erfahrungen bei der Jugendkriminalität häufig um relativ harmlose, vorübergehende Entgleisungen handelt (sog. Episodenhaftigkeit der Jugendkriminalität), die bei fast jedem jungen Menschen gesellschaftsschichtübergreifend (Allgegenwart der Jugendkriminalität) gewissermaßen als Begleiterscheinung und somit als Teil des Erwachsenwerdens auftreten kann.

Somit stellt der rote Faden des Jugendstrafrechts zugleich dessen Vorteil für den jugendlichen Delinquenten dar: im Vordergrund steht stets der Erziehungsgedanke und nicht die Strafe. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass es dementsprechend im Jugendstrafrecht – gerade im Vergleich zum „Erwachsenenstrafrecht“ – zum Teil erhebliche Unterschiede und Besonderheiten gibt, auf die der nachfolgende Beitrag in dieser kleinen Einführung in das Jugendstrafrecht gezielt hinweisen will.

II. Altersgrenzen des Jugendstrafrechts

Die im Rahmen der Jugendkriminalität als typisch zu bezeichnenden Delikte sind zumeist: Diebstahl, Sachbeschädigung (z.B. durch Graffiti), Körperverletzungsdelikte und die Beförderungserschleichung (das sog. „Schwarzfahren“) sowie das „abrippen“ (to rip, engl. = reißen, ausbeuten) von Mobiltelefonen, Bargeld, Zigaretten oder Kleidung, wobei es sich im Regelfall um Raub- und Erpressungsdelikte handeln wird. Nicht weniger häufig kommen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (s. hierzu unser Beitrag unter StrafrechtInfos: „Betäubungsmittelstrafrecht – BtMG“) vor.

Altersbezogen ergibt sich folgende Differenzierung: Kinder und Jugendliche unter 14 Jahre sind strafunmündig (§ 19 StGB), d.h. eine Strafverfolgung gegen sie ist generell unzulässig. Für Jugendliche, die zur Tatzeit zwischen 14 und 17 Jahre alt waren, ist ausschließlich das Jugendstrafrecht anwendbar (§ 1 Abs. 2 JGG). 18- bis 20-Jährige sind aus juristischer Sicht Heranwachsende. Für Heranwachsende findet das Jugendstrafrecht nur dann Anwendung, wenn sie vom Entwicklungsstand her eher Jugendlichen als Erwachsenen entsprechen (§§ 105 ff. JGG). 

Es wird also im Einzelfall genau geprüft, ob der Heranwachsende von seinem Reifezustand zur Tatzeit im Hinblick auf die konkrete Tat noch einem Jugendlichen gleichzustellen war oder ob er eine „jugendtypische“ Tat begangen hat. Als Beurteilungsgrundlage dient neben den aus der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen auch die sog. Marburger Richtlinie, die eine Art jugendtypischen Kriteriums Katalog (z.B. mangelnde Ausbildung der Persönlichkeit, Hilflosigkeit, Naivität, Neigung zu abenteuerlichen Unternehmungen, keine Lebensplanung sowie mangelnde Eigenständigkeit) beinhaltet.

Damit den Besonderheiten der Jugendkriminalität Rechnung getragen werden kann, hat der Gesetzgeber das Jugendstrafrecht speziell geregelt.

III. Besonderheiten des Jugendstrafrechts

Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke und nicht der Strafaspekt im Vordergrund. Somit erklärt sich, dass die mögliche Sanktionspalette relativ breit gefächert ist und es keinen festen Strafrahmen für das jeweilige Delikt gibt. § 5 JGG unterscheidet drei Sanktionsarten:

  1. die Erziehungsmaßregeln
  2. die Zuchtmittel,
  3. und die Jugendstrafe
Erziehungsmaßregeln sind erzieherische Maßnahmen, die gem. § 9 JGG entweder als Weisungen oder als Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 JGG in Anspruch zu nehmen, erteilt werden können. Auf diese Weise kann der Jugendliche durch Urteil beispielsweise verpflichtet werden, Sozialstunden abzuleisten, an einem Anti-Aggressionstraining oder an einer Verkehrsschulung teilzunehmen. Erst wenn diese Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen, können sog. Zuchtmittel oder die eigentliche Kriminalstrafe des Jugendstrafrechts, die sog. Jugendstrafe, angeordnet werden.

Die Zuchtmittel sind in den §§ 13 ff. JGG geregelt und es handelt sich um: Verwarnung, Auflage und Jugendarrest. Verwarnungen sind dabei eindringliche, förmliche Zurechtweisungen mit dem Vorhalt des Unrechts. Bei den Auflagen handelt es sich um verschärfte Verwarnungen in Gestalt einer möglichst tatbezogenen Sühneleistung (z.B. durch eine Entschuldigung beim Verletzten, durch die Erbringung von Arbeitsleistungen oder durch die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens). 

Eine ungleich härtere Sanktion ist die des sog. Jugendarrestes. Diesbezüglich wird unterschieden zwischen Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest. In dieser Zeit muss der Jugendliche stunden- oder wochenweise in einer Arrestanstalt leben.

Dabei kann der Arrest von wenigen Stunden täglich bis hin zu vier Wochen dauern (in Gestalt des Dauerarrestes). Die Anordnung und der Vollzug des Jugendarrestes kommen immer dann in Betracht, wenn einerseits die Anordnung von Erziehungsmaßregeln nicht (mehr) ausreichend ist und andererseits eine Jugendstrafe (noch) nicht geboten erscheint. Die härteste Sanktion stellt jedoch die Jugendstrafe dar. Sie ist die einzige im Jugendstrafrecht vorgesehene Kriminalstrafe und unterscheidet sich insofern deutlich von den zuvor beschriebenen Zuchtmitteln und Erziehungsmaßregeln (vgl. § 13 Abs. 3 JGG).

Es handelt sich dabei um eine speziell für Jugendliche und Heranwachsende konzipierte Freiheitsstrafe für die Dauer von mindestens sechs Monaten, die in besonderen Fällen bis zu zehn Jahre andauern kann und in einer Jugendstrafanstalt abzuleisten ist. Sie darf nur wegen sogenannter schädlicher Neigungen oder wegen der besonderen Schwere der Schuld verhängt werden (§ 17 Abs. 2 JGG). Eine weitere Besonderheit im Jugendstrafrecht stellt die Jugendgerichtshilfe dar. Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden muss die Jugendgerichtshilfe vom Jugendgericht herangezogen werden. Die Jugendhilfe im Strafverfahren berät die jungen Straftäter und deren Familien, nimmt an Gerichtsverhandlungen teil, macht Vorschläge für ein mögliches Urteil und kümmert sich um die entsprechende Nachbetreuung.

IV. Fazit

Wird vom Gericht nur eine Verwarnung ausgesprochen, so gelangt diese nicht in das Führungszeugnis. Auch für die Eintragung von Verurteilungen nach Jugendstrafrecht gibt es besondere Beschränkungen. Gerade im Hinblick auf Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sollte den Jugendlichen aber die möglichen Folgen u.a. in Bezug auf den Führerschein und die Fahrerlaubnis bewusst sein.

Kommentare sind deaktiviert